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Frage: Wie beurteilst du die derzeitige Situation der klassischen Gitarre in Deutschland?
Antwort: Sehr ambivalent. Zum Einen gibt es mehr denn je gute bis hervorragende GitarristInnen - gerade auch unter den jüngeren - zum Anderen sind die Konzert- und Auftrittsmöglichkeiten eher mau. Ein Grund hierfür liegt in den unbegründeten Vorurteilen und Vorbehalten vieler Veranstalter und Eventmanager. Ein Beispiel: wenn eine private oder betriebliche Feier ansteht entscheiden sich viele Organisatoren nach wie vor für einen Pianisten - solo oder in Kombination mit z.B. Streichern oder Gesang. Das Klavier bzw. der Flügel vor Ort ist aber oft in einem erbärmlichen Zustand, weshalb der Pianist in Ermangelung eines besseren gezwungen ist darauf zu spielen. Ein professioneller Gitarrist hingegen bringt sein in der Regel hervorragendes Instrument selber mit, so daß eine optimale Klangqualität gewährleistet ist. Aufgrund guter Verstärkungsmöglichkeiten sind auch Aufführungen in großen Sälen und im Freien heutzutage kein Problem, und auch die klassische Gitarre läßt sich mit vielen Instrumenten und Gesang kombinieren. Da dies aber oft nicht bekannt ist wird sich halt für das Althergebrachte entschieden. "Was der Bauer nicht kennt frißt er (eben) nicht".
Die Nachfrage nach Gitarrenunterricht in Musikschulen und bei Privatmusiklehrern ist nach wie vor sehr hoch, und auch die spezielle Nachfrage nach klassischem Unterricht nimmt allmählich wieder zu. Nicht wenige Schüler entscheiden sich aber auch für eine Kombi zwischen Jazz-, Rock-, Pop- und Klassikgitarre. Als langjähriger Juror bei Jugend musiziert weiß ich zu welch hervorragenden Leistungen nicht wenige Kinder und Jugendliche fähig sind.
Das ist alles sehr erfreulich, aber schaut man in Richtung Studium dann sieht die Situation nicht mehr so gut aus. Aufgrund mangelnder Nachfrage, aber vielleicht auch, weil man ein Gitarrenstudium für nicht so wichtig erachtet (was blöd ist), werden immer öfter die Fachbereiche Gitarre an bundesdeutschen Hochschulen entweder geschlossen oder drastisch reduziert. Dabei kann man durchaus verstehen, dass sich immer weniger Leute für ein Gitarrenstudium entscheiden, sehen doch die Berufsaussichten alles andere als rosig aus. Es ist aber auch nicht gut, wenn niemand mehr dieses Risiko auf sich nimmt. Ich rate daher angehenden Studenten zu einem zweiten beruflichen Standbein, entweder durch eine weitere Ausbildung oder ein weiteres Studium.
F: Warum wissen viele Menschen in Deutschland immer noch so gut wie nichts über die klassische Gitarre, ihre Musik und Interpreten?
A: Das liegt vor allem an den für die Kultur und ihre Verbreitung Verantwortlichen, z. B. Politiker (Kultusminister, Kulturdezernenten, etc.), Veranstalter und Eventmanager, aber auch an den traditionellen Massenmedien wie Radio und Fernsehen, die für viele immer noch die wichtigsten Informations- und Unterhaltungsmedien sind. Während im Radio in Klassiksendern zumindest ab und zu mal klassische Gitarre zu hören ist - allerdings viel seltener als alle anderen Instrumente - kommt sie im Fernsehen praktisch nicht vor. Ganz selten - wahrscheinlich als Lückenfüller - werden alte Portraits von Barrueco, Pierri etc., die schon oft gelaufen sind, zu nachtschlafener Zeit aus der Schublade geholt. Dabei besteht aber durchaus bei vielen Menschen ein Interesse an klassischer Gitarre, wenn sie sie einmal gehört haben. Jeder Gitarrist wird bestätigen, dass er nach Konzerten viel positives Feedback bekommt. Das ist ein Beispiel von vielen, das belegt, dass die Fernsehmacher entgegen ihrer Behauptung eben oft nicht auf die Wünsche der Zuschauer eingehen. Selbst die öffentlich-rechtlichen Sender, die ja einen Bildungsauftrag haben, schielen auch nur auf die Quote, und wie die ermittelt wird, wissen wir ja.
Im Internet ist die klassische Gitarre deutlich besser vertreten, aber bis sich das Netz als Hauptmedium durchsetzt wird noch einige Zeit vergehen. Momentan wird es vor allem von jüngeren Menschen genutzt, und die haben oft andere musikalische Vorlieben.
Leider sind aber auch die Gitarristen selber schuld an ihrer nicht gerade glücklichen Situation. Anstatt sich mit anderen Instrumentalisten und Sängern zu vernetzen schmoren sie lieber im eigenen Saft und kreisen um sich selbst. Gitarrenfestivals und -konzertreihen werden veranstaltet von Gitarristen für Gitarristen bzw. Gitarrenliebhaber, die man ohnehin schon auf seiner Seite hat. Ein neues Publikum erschließt man sich dadurch kaum. Es ist schon bezeichnend, dass die übrige Bevölkerung von solchen Events kaum etwas mitbekommt und selbst große Namen in der Gitarrenwelt wie Barrueco, Russel oder Pierri nur unter Gitarristen bekannt sind. Netrebko, Lang Lang oder Garrett kennt dagegen fast jeder. Fazit: Gitarrenfestivals sind an sich nicht schlecht, aber man müßte sie anders gestalten. Die Mischung macht`s.
F: Was kann getan werden um dies zu ändern?
A: Die Gitarristen müssen aus ihrer selbst geschaffenen Enklave herauskommen und versuchen sich in die allgemeine Konzertwelt zu integrieren. Dies geht am besten in Verbindung mit anderen Instrumenten. Das Zauberwort heißt Kammermusik, die leider immer noch zu wenig gepflegt wird. Wir haben zu viele Solisten und zu wenig Kammermusiker. Dabei gibt es zahlreiche gute Werke für nahezu jede Besetzung, die mit Gitarre möglich ist. Der unbestreitbare Vorteil dabei: das Publikum besteht dann nicht nur aus Gitarrenaficionados sondern auch auch aus Liebhabern anderer Instrumente. Bezeichnenderweise kommt diese Art der Kammermusik auf vielen Gitarrenfestivals kaum vor. Stattdessen hört man neben Solisten vor allem Kammermusik mit zwei und mehr Gitarren.
F: Was unternimmst du um die Situation deines Instruments zu verbessern?
A: Seit 20 Jahren bin ich regelmäßiger Gast in der Konzertreihe ´Kammermusik um sieben` des Theaters Regensburg, die vom dort ansässigen Philharmonischen Orchester organisiert wird. Zusammen mit Mitgliedern dieses Orchesters habe ich im Rahmen dieser Reihe zahlreiche Werke in unterschiedlichen Besetzungen aufgeführt, darunter auch einige Uraufführungen. Auch darüber hinaus konzertiere ich oft mit anderen Instrumenten, z. B. Flöte, Violine, Cello und Streichquartett. Außerdem arbeite ich auch immer wieder mit SängerInnen und Rezitatoren zusammen. Meine Solokonzerte haben in der Regel ein bestimmtes Motto, und ich gebe Erläuterungen zu den einzelnen Kompositionen.
F: Dein Schwerpunkt liegt ja auf der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Gibt es da Vorlieben (Komponisten, Werke)?
A: Die Musik des 20. und des noch jungen 21. Jahrhunderts bietet für uns Gitarristen eine größere Fülle an Ausdrucks- und Klangmöglichkeiten als die der früheren Epochen. Natürlich gibt es auch Bach, Weiss und andere, aber deren Musik ist nicht original für Gitarre. Nichts gegen Bearbeitungen, aber man sollte nicht zuviel davon spielen.
Besonders gern spiele ich Musik von Brouwer und Takemitsu, aber auch von Smith Brindle und Domeniconi gibt es einige Stücke, die ich sehr mag. Das Highlight ist aber nach wie vor Brittens ´Nocturnal`, das für mich eines der großartigsten Musikwerke überhaupt ist.
F: Spielst du auch ältere Musik?
A: Ja, vor allem wenn es von denen, die mich engagieren, gewünscht wird oder wenn es in einen bestimmten Kontext passt, z.B. im Programm ´… und die Sterne sahen zu` im Rahmen der Bayerischen Landesausstellung 2015 in Ingolstadt. Hier spiele ich u.a. Werke von Sor. Immer wieder gerne spiele ich Bach, und es ist jedesmal aufs Neue eine Herausforderung.
F: Wie beurteilst du die Situation des Gitarrenunterrichts in Deutschland?
A: Im Großen und Ganzen gut, nicht zuletzt aufgrund der vielen engagierten und gut ausgebildeten Gitarrenlehrer. Leider gibt es immer wieder auch schwarze Schafe, vor allem in ländlichen Regionen. Dort gibt es mitunter Leute, die am Instrument und/oder in puncto Unterricht nicht ausreichend ausgebildet wurden und nun ihre eigenen Defizite an die Schüler weitergeben. Ärgerlich daran ist vor allem, dass die Schüler und deren Eltern in der Regel keine Möglichkeiten zur Beurteilung haben und daher solchen Leuten hilflos ausgeliefert sind. Oft wird dadurch wertvolle Zeit vertan und viel Geld in den Sand gesetzt, bis man merkt, dass nichts vorangeht und die Schüler auch nach Jahren immer noch nicht viel können. Ein evtl. nachfolgender qualifizierter Lehrer kann meist auf das bisher Gelernte kaum aufbauen und ist daher gezwungen, quasi wieder von vorn anzufangen. Dies führt nicht selten zu Unlust seitens des Schülers und schließlich zur Beendigung des Unterrichts.
F: Was ist für dich als Gitarrenlehrer besonders wichtig?
A: Wie bei allem, was man neu erlernt, müssen auch hier erstmal die Grundlagen angeeignet werden. Bei der Gitarre ist das zunächst die Beschaffung des richtigen Instruments. Ganz wichtig ist z.B. die passende Größe bei Kindern. Dann geht es weiter mit der Haltung des Körpers, des Instruments und schließlich beider Hände. Wie man das angeht hängt vom jeweiligen Schüler ab, vor allem von dessen Alter. Kleinere Kinder lernen am besten spielerisch durch Vor- und Nachmachen ohne große Erklärungen. Ältere Schüler und Erwachsene fragen schon mal nach und erwarten Begründungen, warum dieses oder jenes so oder so sein soll.
Wichtig ist aber, dass der Unterricht trotz des Einforderns von guter Haltung und Spieltechnik nicht zu trocken und lustlos gerät. Dies hinzubekommen ist die eigentliche Kunst des Unterrichtens. Glücklicherweise gibt es gute Gitarrenschulen für jedes Alter, die einem die Auswahl geeigneter Stücke erleichtern.